Da fliegt es, aber keine Funken

Wenn man in so einer fetten Stadt wie Paderborn allein ist, dann ist das schon ziemlich beschissen. Da muss man dringend etwas tun, denn eine Sache ist glasklar: nicht nur Du bist allene, sondern viele andere mit Dir. So kommt es vor, dass man zusammen mit anderen ist und sich in einem „normal“ gestörten Umfeld überhaupt nicht kennenlernt. Dafür gibt es dann Single-Ausbeuterseiten, wie zB funkenflug.de. Auf den ersten Blick spricht einen die Seite sehr an, es geht um Freizeitaktivitäten, ist keine Single-Scheißbörse, wie die anderen, wenig Fakeprofile usw. usf.. Da denkt der Lonely-City-Typ: cool, da melde ich mich mal sofort an und mache mir ein Profil. Man gibt sich Mühe für einen adäquaten Text, lädt seine besten Bilder hoch und begibt sich auf die Suche, was diese Seite zu bieten hat.

Schließlich entdeckt man auch jemand ansprechendes und klickt auf den Button „Nachricht schreiben“, nur um sich gleich danach auf einer Übersicht wieder zu finden, auf der man ein kostenpflichtiges Paket auswählen kann -> so ist es für zwei sich attraktiv findende Leute ohne diesen Bezahlzugang nicht möglich sich zu kontaktieren. Toll gemacht, liebes Funkenflug-Arschkrampen-Team!

In einer Gesellschaft, die ihre Mitglieder zu bedürfnisorientierten Mängelwesen degradiert, wächst ein dringendes Bedürfnis nach Sinn. – Marianne Gronemeyer

Hier ein paar superernstgemeinte Alltags-Tips, wie ihr auch auf der Straße, beim Einkaufen, oder im Friseurladen jemanden bei Gefallen ansprechen könntet_

Beim Friseur
Nachdem ihr bei der angehimmelten Person haareschneidenderweise sitzt, sagt ihr einfach sowas wie: „hey, ich brauche eigentlich keinen neuen Haarschnitt, aber ich würde mich wahnsinnig gerne einmal mit Dir körperlich austauschen, weil ich Dich mega gut finde. Wollen wir uns umarmen?“ Aber danach ruft die Person die Bullen weil sie Angst bekommen hat. Es ist frustrierend!

Im Einkaufsladen
Du sneakst Dich einfach zwischen angehimmelte, (für Dich) attraktive Person und den Roculasalat und sagst: „Also den würde ich nur mit mir zusammen essen, alles andere ist total ungesund. Das haben Studien bestätigt!“ – und gehst daraufhin sofort weiter. Wenn Du Glück hast, dann triffst Du die Person an der Kasse wieder und ihr tauscht die Nummern aus, was dann darin endet sich in einem Messenger online auszutauschen, ohne, dass man sich im echten Leben – außer in diesem Kaufladen – trifft. Es ist frustrierend…

Im Restaurant
Jemand setzt sich Dir gegenüber hin und bestellt Essen zum mitnehmen. Als die Person es bekommt, steht sie auf und setzt sich auf eine nahegelegene Bank und ißt dort ihr Essen, allein. Du denkst, WTF? Als Du das Restaurant verlässt, schreibst Du auf einen Zettel: „Hey, falls Du mal mit mir zusammen etwas hier in diesem Restaurant essen möchtest, würde ich mich freuen!“, und schreibst Deine Telefonnummer dazu. Dann gehst Du zur Bank herüber, wo die Person gerade supertraurig ihr bestelltes Essen ißt und sagst schüchtern sowas wie „Hier, das hier hast Du eben vergessen“ und gehst sofort wieder, weil Du schon weißt, dass das eine scheiß Idee war – aber durchziehen wolltest Du das jetzt trotzdem. Zukünftig wirst Du diese Person immer mal wieder sehen, aber sie ißt nicht mehr in diesem Laden, wenn Du da bist und reagiert auf Deinen schuljungenartigen Annäherungsversuch nicht ein. einziges. Mal. Es bleibt frustrierend.

In der Ubahn
Dir gegenüber sitzt die angehimmelte Person und Du schaust ihr direkt in die Augen und fängst lautstark an einen Text aus dem Musical Linie 1 zu singen: „Du sitzt mir gegenüber und schaust an mir vorbei, ich seh‘ Dich jeden Morgen und manchmal auch um zwei, Du bist mir mal sympathisch und manchmal eine Qual, aber meistens egal. Total egal.“ Und wendest Dich wieder Deiner Zeitung zu. Daraufhin spricht Dich die Person an und fragt, ob Du noch mehr Lieder aus Sister Act kennst. Du verlässt an der nächsten Station fluchtartig die Bahn. Es ist definitiv frustrierend. Dabei war Deine Choreografie gar nicht mal so schlecht! Es lag wahrscheinlich an der Uhrzeit.

Persönliche Hinweise (für mich)

Leute kennenzulernen passiert nicht auf der Straße. Es passiert, während Du sonst so rumlebst. Als erstes musst Du akzeptieren, dass Du alleine bist und dass sich niemand einen Dreck für Dich interessiert. Du musst aufhören, es zu vermissen, zu wollen, dass Du nicht mehr alleine bist. Fokussiere Dich nicht auf einzelne Personen, sei fröhlich, nicht frustriert, mache Sport, verdiene mehr Geld, freunde Dich mit Deinem älteren ich an, hör auf zu glauben, Du bist noch 30! Hab mehr fancy Freunde, sei witziger und besorg Dir endlich mal ein paar Markenklamotten, die Deinem Alter auch entsprechen. Tja, DANN wird das auch was! Oder zahle 6,59 Euro im Monat, nur um die Chance zu haben online jemanden kennen zu lernen. Wie schizo ist das eigentlich? Man will über dasselbe Medium erreichen, dass einen erst alleine gemacht hat, dass man nicht mehr alleine ist.