Macht bitte nicht nur euren Job!

Was ich als Patient von einem Arztmenschen erwarte ist, dass diese Person nicht nur ihren Job macht, sondern zusätzlich einen investigativen, neugierigen Part in der Symbiose unserer Beziehung einnimmt – ich als der beste Kenner meines Befindens und Arztmensch als beste Kennerin der Medizin. Erhärtet sich ein Verdachtsfall nicht, so muss diese sagen, ok, dann suchen wir weiter. Sich nicht damit zufrieden geben, wenn vielleicht anfänglich eine Indikation als lukrativ, aber nicht 100%ig plausibel erscheint, das ist „nicht nur seinen Job machen“.

Nur Deinen Job hast Du gemacht, wenn Du in Deiner Profession Kohle machst, wie jedes andere Unternehmen und Du eben „Gesundheit“ verkaufst. Die Realität sieht oft so aus, dass anhand eines ersten Verdachts gesagt wird, „nimm mal diese Pillchen und dann sehen wir uns in drei Wochen wieder, ok? Absetzen kannste die Teile ja immernoch!“ Öhm, no way, alter!

Die Frage ist doch: wann ist ein Arzt, eine Ärztin schlecht im Sinne des Dienstes an ihren Patienten? Ab wann macht sie nur ihren Job? Wenn sie sich nicht eine neugierige, investigative Haltung bewahrt hat. Das Ernstnehmen von Schilderungen und Einschätzungen des Patientenmenschen, das Zuhören, das Sichdamitbefassenwollen und Aufdeckenwollen von Verborgenem.

Meine bisherige überspitzte Erfahrung mit Sprechstunden sieht folgender Maßen aus:

Hausarzt: Hallo Herr Jenssen, wie kann ich ihnen helfen?

Icke: Moin, ja, also ich habe so Probleme beim Scheißen.

Hmm, ok.

Mein Schließmuskel scheint nicht mehr richtig zu funktionieren und ich traue mich das kaum zu sagen, aber der Stuhl ist auch wässrig milchig, ich habe ganz schlotterige Knie und bin etwas benommen von dem Energieverlust durch das viele Scheißen.

Milchig? Eher wie Pudding?

Nein, wässrig.

Hm, hm, verstehe.

Können Sie mir etwas geben, dass mir akut hilft?

Wir nehmen erstmal den Blutdruck. Gehen Sie bitte raus zu Schwester Noack und dann sehen wir uns gleich wieder, ja? Ja, gut, bis gleich.

95 Min. später.

Das ist aber ein erhöhter Blutdruck, da müssen wir etwas machen. Ich verschreibe Ihnen mal Labrazol Forte, dass ist ein blutdrucksenkendes Mittel.

What? Und was machen wir wegen meines Durchfalls und der Erschöpfung? Ich meine ein erhöhter Weert kann doch jetzt auch von dem Infekt kommen, nicht?

Ja, ja! Das geht ja auch grade rum, nicht wahr? Nehmen Sie diese Tabletten erstmal für ein paar Wochen ein und dann schauen wir mal, ob Sie sich dann besser fühlen. Lassen Sie bitte auf Yameda auch gerne fünf Sterne, damit mein Wartezimmer noch voller wird und ich noch weniger Zeit habe, meine PatientInnen adäquat zu betreuen. Ja? Ja, gut. Danke. Bis bald, an der Rezeption machen Sie bitte noch einen neuen Termin mit Helga, gut? Gut, Herr Dingenskirchen, schönen Tag.

So, oder so ähnlich „fühle“ ich mich immer, wenn ich eine Arztpraxis betrete. ich komme mir abgefertigt vor und habe auch nicht wirklich den Eindruck, dass hier groß Zeit für mich vorhanden ist. Der erstbeste Verdachtsmoment genügt, um eine langwierige Tablettenbehandlung einzuleiten.

Es ist nicht mein Unvermögen, nicht ausdrücken zu können, was ich glaube zu haben, sondern sein Unvermögen mich nicht ausreichend dazu zu befragen.

Mönch Baltasar, Knieprode-Kloster Neumünster, 8766 v.Ch.

Zum Schluss noch eine kleine Anekdote aus einer Berliner Hautarztpraxis vor nicht all zu langer Zeit. Nachdem ich ein Problem geschildert habe und die Zeit nutzen wollte, um eine weitere Frage zu stellen, unterbrach mich der Kollege mit den Worten: „Wir behandeln hier immer nur eine Sache. Sie können aber gerne nochmal draußen Platz nehmen und ein weiteres Mal hereinkommen.“ WTF? Da kommt man sich dann gar nicht auf eine Milchkuh reduziert vor, die nur dafür da ist, dass man mit ihr Kohle machen kann.